Zu wahr, um (nur) schön zu sein
Roland Nachtigäller
Wer glaubt noch einem Bild? Wir wissen von den haarsträubenden Retuschen der stalinistischen Polit-Propaganda, wir kennen die Geschichten um gefälschte Fotos der CIA, wir haben mit Begeisterung verfolgt, wie »Forrest Gump« (1994) durch die historischen Momente der amerikanischen Politik stolperte oder Woody Allens chamäleonhafter »Zelig« (1983) mit Legenden wie Josephine Baker oder Al Capone zusammentraf und Adolf Hitler die Hand reichte; wir kennen die manipulativen Möglichkeiten des graphischen und textlichen Umfelds eines Bildes, die verführerischen Akzentverschiebungen durch Ausschnitt, Kontrastierung, Gegenüberstellung und Kombination, während die Verzerrung, Montage und Farbkorrektur der eigenen Hobbyfotos am PC mittels Programmen wie »Photoshop« oder »Kai’s PowerGoo« mittlerweile zum weithin beliebten Freizeitspaß geworden ist. Niemand glaubt dem Bild!
Trotzdem wird noch jeden Morgen die tägliche Zeitungsausgabe vom prominent gesetzten Titelfoto bestimmt, eben jenes Beweisbild, das die Katastrophe zeigt, den Politiker am Ort des Zusammentreffens, die Preisübergabe im Veranstaltungssaal oder die Leiche in ihrer Blutlache. Die Nachricht wird erst zur Gewißheit, wenn die ersten Bilder eintreffen und scheinbar unmißverständlich belegen, daß es tatsächlich so ... weiter lesen
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